- Details
- Kategorie: Gedichte Archive
- Veröffentlicht: 11. August 2014
In diser Einsamkeit / der mehr denn öden Wüsten /
Gestreckt auff wildes Kraut / an die bemoßte See:
Beschau' ich jenes Thal und diser Felsen Höh'
Auff welchem Eulen nur und stille Vögel nisten.
Hir / fern von dem Pallast; weit von des Pövels Lüsten /
Betracht ich: wie der Mensch in Eitelkeit vergeh'
Wie / auff nicht festem Grund' all unser Hoffen steh'
Wie die vor Abend schmähn / die vor dem Tag uns grüßten.
Die Höl‘ / der rauhe Wald / der Todtenkopff / der Stein /
Den auch die Zeit aufffrist / die abgezehrten Bein.
Entwerffen in dem Mut unzehliche Gedancken.
Der Mauren alter Grauß / diß ungebau'te Land
Ist schön und fruchtbar mir / der eigentlich erkant /
Daß alles / ohn ein Geist / den Gott selbst hält / muß wancken.
Salvator Rosa: Democritus in Meditation (Radierung 1662)
Quelle: Andreas Gryphius, Gedichte. Eine Auswahl. Text nach der Ausgabe letzter Hand von 1663. Hrsg. v. Adalbert Elschenbroich, Stuttgart 1968, S.13.
Pövel ist die alte Schreibweise für Pöbel, das gemeine Volk; mit Bein sind die Gebeine, die Knochen gemeint; Mut ist im Sinne von Gemüt zu lesen; Grauß sind die Trümmer der Mauern.
Demokrit(us) lebte ab ca. 460 vor Christus und war ein griechischer Philosoph. „Die Theorie der meditatio ist antiken Ursprungs. Die Stoa hatte Philosophie als meditatio begriffen, als Nachdenken über das rechte Leben und Einübung in das rechte Leben. Dazu gehörte auch die meditatio mortis, die Einübung in das Sterben. Mit der Figur des Demokrit verbindet sich in der Wirkungsgeschichte die Vorstellung des über die Vergänglichkeit der Welt trauernd meditierenden Philosophen.“ (Gerhard Kurz, Zur Bedeutung der ‚Betrachtung‘ in der deutschen Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts. In: ders. (Hrsg.), Meditation und Erinnerung in der frühen Neuzeit, Göttingen 2000, S.220)