Nellenburg Gymnasium Stockach - Referendare
Referendare am Nellenburg Gymnasium
Den folgenden Text erhalten die dem Nellenburg-Gymnasium zugewiesenen Referendarinnen und Referendare zu Beginn ihrer Ausbildung:
Hinweise zum Auftreten von Lehrkräften
- Prüfen Sie, ob Ihr inneres Gefühl Ihnen sagt, dass Sie "da sind" und dass Sie wahrgenommen werden wollen. Vom "Zu sich stehen" und "Auftreten" gehen Signale aus, die von Schülerinnen und Schülern wahrgenommen werden. Zeigen Sie durch Ihre körperliche Haltung und die Art, wie Sie gehen und stehen, dass Sie wirklich präsent sind.
- Prüfen Sie, ob Sie das Gefühl haben, Sie seien eine vom Zeitdruck, von der Arbeitsmenge oder den Schülern gehetzte Person. Schülerinnen und Schüler erkennen, ob sich Lehrkräfte "gejagt" fühlen und sich jagen lassen: am zu schnellen Schritt, an der geduckten Körperhaltung ("Hoffentlich sieht mich keiner") oder daran, dass sie sich vorzugsweise hinter dem Tisch stehend vor der Klasse schützen.
- Prüfen Sie, ob Sie Freude am Leben haben und diese auch während der Arbeit zeigen "dürfen". In vielen Kollegien gilt das unausgesprochene Gesetz, man erkenne diejenigen, die fleißig sind, daran, dass sie miese Laune haben. Wer fröhlich ist, ist unseriös oder "hat wohl nicht genug zu tun".Für Ihre Ausstrahlung und Ihren Kontakt mit den Schülern ist es optimal, wenn Sie Lebensfreude und Freundlichkeit zeigen können.
- Geben Sie dem Betreten des Klassenzimmers eine eigene Bedeutung. Die ersten Momente der Stunde sind wichtig. "Verhuschen" Sie den Stundenbeginn nicht. Treten Sie ruhig und nicht zu hastig ein, legen Sie Ihre Materialien am Tisch ab, stehen Sie frei und lassen Sie Ihren Blick einige Sekunden durch die Klasse wandern, bevor Sie die Klasse mit deutlicher Stimme begrüßen.
- Ruinieren Sie den Stundenbeginn nicht mit Formalien ("Wer fehlt?!"), sondern nehmen Sie nach der Begrüßung zunächst stimmungsmäßigen Kontakt mit der Klasse auf (innerer Monolog: "Wie fühlen die sich wohl gerade?") und sagen Sie etwas, das Ihnen erst einmal die Aufmerksamkeit sichert. ...
- Bleiben Sie während des Unterrichts der Klasse zugewandt. Verschwinden Sie nicht hinter Ihrem Pult. Wenden Sie sich beim Anschreiben an die Tafel nicht voll von der Klasse ab. Nähern Sie sich, während Sie sprechen, stets von neuem den jeweiligen "Unruhezonen". Die Art, sich zu bewegen, hat eine starke Wirkung auf die Schüler. Wechseln Sie während des Unterrichts immer wieder einmal den Standort, aber in der Art eines großen Tieres (gemächlich, souverän), vermeiden Sie unruhige Bewegungen.
- Seien Sie zu Ihren Schülern freundlich, aber biedern Sie sich ihnen nicht an. Freundlichkeit wirkt nur, wenn sie ohne Absicht daherkommt und ein Teil Ihres guten Lebensgefühls ist. Daraus ergibt sich eine sehr positive Ausstrahlung auf die Schüler. Wenn Sie jedoch nur deswegen "einen auf freundlich machen", weil Sie sich das Wohlwollen der Kinder sichern wollen, dann lassen Sie es lieber und bleiben besser ernst, denn sonst zeigen Sie den Schülern - die merken das intuitiv - , dass Sie Angst vor ihnen haben und man sie jagen kann.
- Loben Sie! Aber: Benennen Sie auch - mit klarer Stimme - Lernmängel und Leistungsdefizite ("Das war aber alles andere als gut!" - "Also, da hätte ich von dir ein bisschen mehr erwartet!"). Vermeiden Sie Bloßstellungen oder Demütigungen. Machen Sie ein Kind nie lächerlich, auch nicht mit kleinen spitzen Bemerkungen! Geben Sie präzise Hinweise, was verbesserungsbedürftig ist und was Sie das nächste Mal erwarten, das reicht!
- Lassen Sie leistungsschwache Schülerinnen und Schüler immer wieder spüren, welche (positive) Vision Sie von dem betreffenden Kind oder Jugendlichen haben ("Ich bin sicher, das kannst du schaffen, du hast das Zeug dazu! " - "Wenn du dich da oder dort etwas mehr reinhängst, wäre das ein Weg, um später mal dies oder das zu werden.")
- Sprechen Sie mit Ihren Schülern regelmäßig über die Art des gegenseitigen Umgangs, über den Sinn von Regeln und Wertmaßstäben. Kindern macht es Spaß, sich in Situationen einzufühlen und sich darüber auszutauschen. Greifen Sie dazu Vorfälle von außerhalb der Schule auf (eventuell mit Hilfe von Bildmaterial) und fragen Sie: "Wie hat der (oder die) sich wohl in dieser Situation gefühlt?" - "Was denkt ihr, warum die oder der dieses oder jenes gemacht hat?" - "Was glaubt ihr, wie das für die oder den Betroffene(n) wohl war?"
- Machen Sie aus Ihren persönlichen pädagogischen Überzeugungen keine Weltanschauung, die Ihre Kollegen in feindliche Lager spaltet. Es gibt mehrere Arten, eine gute Lehrerin/ein guter Lehrer zu sein. Es gibt mehrere Arten, einen guten Unterricht zu machen. Schützen Sie daher jeden Kollegen und jede Kollegin, die von außen angegriffen werden. Nehmen Sie Kritik von außen dankend, aber neutral zur Kenntnis. Besprechen Sie berechtigte Kritik nur intern.
© aus: Joachim Bauer: Lob der Schule. (Hoffmann und Campe) Hamburg, 2007. S.80-84