spät
lese in den auslagen: geschälte sonnen
stunden, erinnerungen fast schon
fern
der bug der letzten fähre
scheitelt dieses jahr im kielwasser
läuft der sommer aus
im café
gibt man den löffel ab
die tage sind
gezählt
Für eine verlgeichende Interpretation im Kursstufenunterricht bietet es sich an, Tobais Pagels Gedicht "spätlese" mit Eduard Mörikes Gedicht "Im Spätboot" in Beziehung zu setzen.
Conrad Ferdinand Meyer: Im Spätboot
Aus der Schiffsbank mach ich meinen Pfühl1,
Endlich wird die heiße Stirne kühl!
O wie süß erkaltet mir das Herz!
O wie weich verstummen Lust und Schmerz!
Über mir des Rohres schwarzer Rauch
Wiegt und biegt sich in des Windes Hauch.
Hüben hier und wieder drüben dort
Hält das Boot an manchem kleinen Port2:
Bei der Schiffslaterne kargem Schein
Steigt ein Schatten aus und niemand ein.
Nur der Steurer noch, der wacht und steht!
Nur der Wind, der mir im Haare weht!
Schmerz und Lust erleiden sanften Tod:
Einen Schlummrer trägt das dunkle Boot.
Erstveröffentlichung: 1882
Erläuterungen:
1 Pfühl: großes weiches Kissen, bildhaft auch für Bett oder Lager
2 Port: Hafen
Aus: Hans Zeller, Alfred Zäch (Hg.), Conrad Ferdinand Meyer, Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe, Bd. 1, Bern 1963 (Benteli-Verlag), S. 80.
In einer Aufgabe des Deutsch-Abitur 2020 in Bawü wurde dieses Mörike-Gedicht mit dem lyrischen Text "Rückkehr" von Stefan George verglichen. Eine problematische Bezugssetzung, wie ich finde, neigt man doch dazu, den symbolistischen Gehalt Georges das Gepräge einer realistsichen Metaphorik Mörikes zu verleihen. Vielleicht wäre Tobias Pagels Gedicht "spätlese" eine geeignetere Wahl gewesen, um in einem diachrochen Vergleich den traditionellen Schifffahrtstopos von der finalen Reise an einem realistischen Gedicht einerseits und einem in Form und Inhalt ersichtlich modernen Gedicht andererseits herauszuarbeiten.